Die Tochter der Terroristin

mit Irene Kleinschmidt und Franzsika Mencz

Ausstattung und Bühne Sophie Domenz, Choreographie Jean-Laurent Sasportes

Premiere 28.02.2024 Kleines Haus/Theater Bremen

 

Zwei Frauen begegnen sich in einer Berliner Altbauwohnung. Maja, eine erfolgreiche Kinderbuchautorin, vermietet eine Souterrainwohnung an die Krankenpflegerin Anke.

Zwischen beiden Frauen entwickelt sich eine Freundschaft. Was Maja nicht weiß: Anke ist die Tochter des Personenschützers, den Majas Mutter, eine RAF-Terroristin, vor vielen Jahren erschossen hatte.

 

In diesem Projekt beschäftigen wir uns mit der Frage nach unseren Möglichkeiten des Umgangs mit Schuld. Mit der eigenen, vor allem aber mit der Schuld, die unser Leben begleitet aufgrund der Taten, die unsere Eltern, unsere Großeltern oder die Generationen davor begangen haben.

Inwiefern bestimmt die unaufgelöste Schuld unserer Eltern unser eigenes Leben? Müssen wir uns mit Taten beschäftigen, die wir nicht begangen haben? 

 

Majas Mutter ist die Terroristin Vera Völz. Sie starb 1985 bei einem Schusswechsel mit der Polizei. Maja war zu diesem Zeitpunkt 12 Jahre alt. Sie hat ihre Mutter selten gesehen, und wuchs bei ihrem Vater, dem Politologen Reinhard Meericht auf. Maja trägt weder den Namen der Mutter, noch den des inzwischen verstorbenen Vaters, sondern einen Künstlerinnennamen 

Maja hat an ihre Mutter nicht sehr viele Erinnerungen. Sie hat sie als liebevolle, sie ernstnehmende Mutter erlebt, die jedoch von etwas anderem in den Bann gezogen war immer wie auf dem Absprung wirkte. In Majas Erinnerung folgte nach jeder innigen Begegnung stets die plötzliche Trennung von der Mutter. Die Welt der Mutter, in die diese immer wieder verschwand, war beängstigend und voller Heimlichkeiten. Manchmal hatte Maja Leute zu Gesicht bekommen, die zu dieser Welt dazu gehörten; junge Männer mit Augenringen, müden Gesichtern und aggressiven Stimmen. Sie erinnert sich an die schreckliche bedrückende, schlecht überspielte Angst aller, die immer dazugehörte. Maja hasste diese Welt. Als erwachsene Frau hat sie immer wieder Versuche unternommen, sich mit dem Leben ihrer Mutter auseinanderzusetzen, empfand dies jedoch immer wieder als zu schmerzlich. Vera Völz hat bei einem Entführungsversuch zwei Menschen erschossen. Kameras hatten den Mord an einem Polizisten und einem Politiker aus einem Hinterhalt aufgezeichnet. Vera Völz wurde überführt aber nie verurteilt. Bei ihrer Festnahme starb sie im Kugelhagel. 

 

Ankes Mutter starb wenige Jahre nach Ankes Geburt. Sie hat keine Erinnerungen an sie. Sie wuchs bei ihrem Vater Peter auf, der Polizist war und zum Personenschützer ausgebildet wurde. Er war einer der Männer, der an den Schüssen aus Vera Völz Waffe starb. Zu diesem Zeitpunkt war Anke 13 Jahre alt. Zunächst schien es so, als könne die 13jährige den Verlust des zweiten Elternteils gut verwinden. Sie wohnte eine Zeit lang bei ihrer Tante, doch bald gab es Spannungen mit den beiden jüngeren Cousins, und Anke kam zu einer Pflegefamilie, die allerdings kein wirkliches Interesse an ihr zeigte. Nach zwei Jahren kam Anke dann in einem Heim unter, und schließlich in einer betreuten Wohngruppe. Ankes Leben ist geprägt von Einsamkeitserfahrung. Und doch liebt sie. Sie liebt ihre Arbeit, und die Menschen, mit denen sie umgeht, auf eine freundliche Weise. Sie hatte Beziehungen zu Männern, war jedoch zu erwartungsvoll, zu fordernd, später zu zurückhaltend. 

Anke hat sich mit der Geschichte ihres Vaters auseinandergesetzt, und natürlich weiß sie, wer seinen Tod verschuldet hat. Auch weiß sie, dass Maja die Tochter von Vera Völz ist. Für Ankes Leben hatte der Tod ihres Vaters fatale Folgen, und sie empfindet es als qualvoll, dass überall vom Erbe der Terroristin gesprochen und geschrieben wird. Dass Vera Völz eine Ikone sein durfte, der erschossene Politiker in unzähligen Nachrufen gewürdigt wurde, und der Tod ihres Vaters nur eine Randnotiz war. 

Auf Majas Wohnungsannonce meldet Anke sich mit voller Absicht. Sie hat das Bedürfnis sich zu konfrontieren; sich auseinanderzusetzen. Mit einem Menschen, den ihr Schicksal auch betrifft und der zwar keine Schuld, so doch vielleicht ebenfalls das Anliegen haben könnte, reinen Tisch zu machen.