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Museum der nichtgemalten Bilder

Südlich der Grenze, von der man nicht weiß, dass sie existiert, findet sich das Museum der nichtgemalten Bilder. Es ist ein Gebäude mit zwei langgezogenen, sich in der Mitte kreuzenden Flügeln wie ein gigantisches X oder das griechische Chi. Seine Sammlung enthält Kunstwerke aus allen Zeiten, freilich nicht nach Epochen oder Stil geordnet, sondern nach ihren Namen.

 

Ihre Schöpfer waren und sind Maler, Bildhauer aber auch solche, die nie einen Pinsel oder Meißel zur Hand genommen haben. Alle Bilder dieser Sammlung, die zwar eine Zahl hat, aber dennoch zahllos ist, wurden nicht gemalt.

 

Sie blieben Träume, und zumeist haben ihre Schöpfer sie längst vergessen. Sie tragen Titel wie: „Der Saum und drei Mädchen“ Eduard Manet träumte es einen Tag vor seinem Tod im Jahre 1883. Dieses nur 40 cm mal 37 cm große Bild, gemalt bzw. nicht gemalt mit Temperafarbe, zeigt drei Mädchen in einer lindgrünen Kutsche vor einer bedrohlich schwarzen Hecke. Vom titelgebenden Saum fehlt dabei jede Spur.

 

Zu erwähnen ist auch „Oktokanten im Park“ von Joseph Beuys. Diese fast sechs Meter große Skulptur aus Marzipanmasse und Rindenmulch träumte der Künstler im Jahr 1982 um 7Uhr11 beim Rasieren.

„Zwei Rillen und ein Bügel“, ist ein grandioses, aber vollkommen ungemaltes Aquarell von William Turner aus dem Jahre 1847. Es misst 1.3 m auf 2 m, und zeigt eine entflammte gelbe Himmelskulisse, vor der zwei Rillen und ein viktorianischer Kleiderbügel in einen zaghaften Kontakt treten.

 

Das nie begonnene „Beige Buben braten Bruzzelndes“ stammt aus dem Jahr 1966. Ein gewisser Walter Kleijohann sah es bei der Fahrt im fahlen Licht des Grubenlifts vor sich, als er nach der Schicht sehr hungrig war. Kleijohann war Steiger auf der Zeche Pluto in Wanne-Eickel. Und hätte er es gemalt, wäre es von stattlicher Größe gewesen. 4 m auf 6.7 m. Kohle auf Leinen.

 

Das Bild zeigt ein Dutzend handfeste Jungs in beiger Grubentracht vor einer riesigen Bratpfanne.

Gleich daneben hängt ein nicht ganz vollendeter Velázquez. „Bei Ramirez liegen zehn Goldstücke auf dem Klo“. Das Bild in Öl, das einen fast identischen Hintergrund wie das Portrait des Hofnarren Sebastián de Morra hat, besticht durch seine Klarheit. Allegorien fehlen hier ganz. Es liegen ausnahmsweise tatsächlich nur zehn Goldstückle auf dem Klo eines gewissen Ramirez.

 

Leonardo Da Vinicis „Der Popel“ gilt als das Eigentliche seiner nicht nichtgemalten Werke. Das Stilleben misst 7m auf 9 m und erdrückt durch seine Detailtreue. Der Meister, heißt es, habe sich über viele Jahre mit Schaudern dieses nichtgemalten Werkes erinnert. Dreimal habe er versucht, es zu beginnen.

Die Sammlung ist vollständig und wird laufend erweitert. Das jüngste Werk stammt von Paradye Purmavaadat und heißt einfach „Mmh“. Es ist ein gemalter Ton in Braun. Nicht schön, aber laut.